„Wir erleben heute einen Abend, der zum Weinen, Lachen und voller Hoffnung ist“, sagte Werner Heckmann am Sonntag im ausverkauften Bürgersaal. Der Sprecher des Arbeitskreises „Kunst – Kultur – Kirche“ der Pfarrgemeinde St. Georg begrüßte die Gäste und kündigte eine Reise in die 1920er Jahre mit Abstechern in die Gegenwart an.

Das Duo „2Flügel“ gastierte in Saerbeck mit seinem neuen Programm „Goldzwanziger“. Christina Brudereck und Benjamin Seipel hatten dazu Texte, Lieder und Musikstücke zusammengefügt, die den etwa 120 Besuchern viel Vergnügen bereitete. Dabei machten sie sich auf die Suche nach Dingen, die dem Leben Glanz verleihen und die jetzigen „Zwanziger“ beflügeln könnten.

Ebenso wie die Menschen nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs nicht ahnten, was das neue Jahrzehnt bringen würde, macht sich heute angesichts von Pandemie und Krieg wieder Unsicherheit breit. Daher begann das Konzert mit der ukrainischen Nationalhymne als Zeichen der Verbundenheit und für Frieden.

Humorvoll stellte sich das Ehepaar gegenseitig vor und plauderte dabei ein wenig aus dem Nähkästchen. Dr. Benjamin Seipel, Dozent an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln, bildet mit der evangelischen Theologin, Schriftstellerin und Feministin Christina Brudereck ein Duo, das bei seinem Auftritt in Saerbeck das Publikum absolut begeisterte.

Nach dem temperamentvollen Auftakt mit dem „Maple Leaf Rag“ von Scott Joplin schlug der Pianist mit dem gefühlvollen Lied „Du bist das Licht“ des Songwriters Gregor Meyle leisere Töne an.
Christina Brudereck zeichnete ein farbiges Bild der 1920er Jahre mit zahlreichen epochemachenden Erfindungen, berühmten Persönlichkeiten, politischen Wendepunkten und künstlerischen Glanzleistungen in Malerei, Musik, Film, Theater oder Literatur. Die Rolle der Frau rückte in den Mittelpunkt. Aufbruch und Wirtschaftskrise lagen dicht nebeneinander. In der Kunst entstanden Werke von Weltgeltung, im Theater lief die „Dreigroschenoper“. Jedoch zogen die ersten dunklen Wolken des Nationalsozialismus heran, die der Unbeschwertheit aus den ersten Jahren der „Roaring Twenties“ ein Ende bereiteten. Es ergaben sich Parallelen in die Gegenwart, die Ben Seipel am Flügel ebenfalls virtuos und stimmlich brillant umsetzte.

Erinnerungen an die Kindheit und Geschichten über das Älterwerden waren zeitlos. Dass Ben Seipel stets Musik um sich hatte und hat, bewies er mit einem Potpourri aus zwanzig Musikstücken von Johann Sebastian Bach bis Andreas Bourani. Der Jubel des Publikums war ihm dafür sicher.

Für das melancholische Soldatenlied „Lili Marleen“ verwendete Seipel einen Loop-Player, der eine eigenwillige Version entstehen ließ. Mit einer Melodika verfremdete er den jiddischen Musicalsong „Bay mir bistu sheyn“. Werner Heckmann erhielt die Aufgabe, mit einer Klingel an der richtigen Stelle des Songs „The Typewriter“ das „Ping“ der Schreibmaschine einzufügen.

Eigene Kompositionen ergänzten Seipels Interpretationen von Werken der Comedian Harmonists, von Leonard Cohen, Marlene Dietrich oder Johannes Heesters. „Geistreiche“ Sprüche von Fußballern und verdrehte Redewendungen machten viel Spaß und lockerten die nachdenkliche Stille auf. Nach langem Beifall und Begeisterungsrufen verabschiedete sich das Duo mit dem gemeinsam gesungenen Lied „Wünsche“, in dem sie ihre Hoffnung nach einer Zukunft in guter Hand Ausdruck verliehen.

Brigitte Striehn, WN 13.09.2022