Am dritten Themenabend in der Reihe “Sattelfest – Im Heute glauben und Kirche sein” war Andreas Sturm zu Gast und das Pfarrheim im Erdgeschoss bis auf den letzten Platz gefüllt.
In den WN berichtet Marlies Grüter:

Die gute Nachricht: „Es gibt Hoffnung für die Kirche.“ Davon ist Pfarrer Andreas Sturm fest überzeugt.

Gleichzeitig hat er selbst der römisch-katholischen Kirche 2022 den Rücken zugekehrt. Hoffnung und Entfremdung – wie passt das zusammen? Diese spannende Frage bewegt viele Menschen und führte sie ins Pfarrheim.

Die Stühle wurden knapp beim letzten Themenabend der kleinen Reihe „Sattelfest – Im Heute Glauben und Kirche sein“ des katholischen Bildungswerkes der St.-Georg-Pfarrgemeinde. Bis auf den letzten Platz gefüllt war der „Hör“-Saal im Pfarrheim. Über 100 Interessierte wollen sich die persönliche Begegnung mit Pfarrer Andreas Sturm nicht entgehen lassen.

Nachdem in den vorangegangenen Wochen die Probleme der kirchlichen Strukturen (Prof. Thomas Schüller) und neue Ansätze für Glaubensinhalte (Stephan Langer) im Fokus standen, kommt jetzt ein Geistlicher zu Wort, der mit seinem spektakulären Austritt aus der katholischen Kirche großes Aufsehen erregt hat. Mitgebracht nach Saerbeck hat Andreas Sturm, der aktuell Pfarrer der altkatholischen Kirchengemeinde in Singen ist, sein Buch „Ich muss raus aus dieser Kirche – Weil ich Mensch bleiben will“.

„Niedergeschrieben habe ich den Weg einer Entfremdung“, ordnet der Geistliche seine Publikation ein. In einzelnen Themenblöcken liest er aus seinem Buch und erläutert seine persönliche Glaubensgeschichte, seine Leidenschaft für die Menschen und seine Zweifel an den kirchlichen Strukturen.

Stark gemacht habe er sich immer für die Kinder- und Jugendarbeit in der Kirche, berichtete Sturm. Der heute 49-Jährige war Jugendseelsorger für das Dekanat Landau, wurde später zum Diözesanpräses der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) gewählt und Leiter des bischöflichen Jugendamtes in Speyer. Seit 2018 war Sturm Generalvikar im Bistum Speyer. „Als die Ergebnisse der MHG-Studie zum sexuellen Missbrauch im Bistum Speyer veröffentlich wurden, ist in mir etwas zerbrochen“, beschreibt Sturm. „Die hohe Zahl an Tätern und Opfern hätte ich mir niemals vorstellen können. Mir war es peinlich, Teil dieser Kirche zu sein.“

Kritisch äußert sich Sturm zum Zölibat. „Auch Priester wünschen sich eine Gemeinschaft, um das Leben zu teilen. Viele sehnen sich nach einer Familie und haben später den Zölibat bereut“, weiß Sturm und fordert eine Neubewertung. Die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen in der Kirche sei ebenfalls nicht zeitgemäß. „Was in der Kirche immer noch als heißes Eisen angesehen wird, ist doch in der Gesellschaft längst selbstverständlich“, so Sturm. „Warum sollen Frauen, die sich als Priesterinnen berufen fühlen, nicht geweiht werden?“

Als Generalvikar habe er sich selbst als Teil des Systems erlebt, das an überkommenen Strukturen festhalte und angestoßene Reformprozesse abwehre. „Da fehlt der direkte Bezug zu den Menschen“, bedauert Sturm. Seine Konsequenz: Der Austritt aus der römisch-katholischen Kirche und die Hinwendung zur altkatholischen Kirche. „Weil ich Mensch bleiben will“, so Sturm.

Die Besucher diskutieren intensiv mit Andreas Sturm. „Ihre klaren Worte sind vertrauenerweckend“, bringt es ein Teilnehmer auf den Punkt. „Mich verblüfft Ihre Offenheit. Ich freue mich, dass das hier in der Pfarrgemeinde in Saerbeck möglich ist.“ Da hakt Andreas Sturm in seinem Schlussplädoyer gerne ein: „Weg von der passiven Haltung und nicht immer warten, bis Rom etwas erlaubt“, lautet der Appell. „Es gibt Hoffnung für die Kirche. Dafür braucht es Veränderungen. Und die können nur von unten kommen. Vor Ort Kirche anders leben.“