Der siebenjährige Cedric Errol wächst mit seiner Mutter unter ärmlichen Verhältnissen in New York auf. Sein Vater war gestorben, als er noch sehr klein war. Er ist ein aufgeweckter, außerordentlich hübscher Junge, den alle Leute gut leiden mögen. Seine Schulkameraden nennen ihn „Ceddie“. Zu seinen Freunden zählen der nette Schuhputzer Dick und Mr. Hobbs, der um die Ecke einen kleinen Lebensmittelladen betreibt.

Warum sich Cedrics normales Leben eines Tages dramatisch ändert, erzählt die britisch-amerikanische Schriftstellerin Frances Hodgson Burnett (1849 – 1924) in dem bezaubernden Kinderbuch „Der kleine Lord“ (Originaltitel: Little Lord Fauntleroy). Es erschien im Jahr 1886 und erobert bis heute die Herzen kleiner und großer Leser, Kinogänger und Fernsehzuschauer im Sturm.

Das Theater „ex libris“ aus Münster brachte die berührende Geschichte jetzt als packendes Live-Hörspiel auf die Bühne. Am Freitagabend gastierten die brillanten Sprecher Markus von Hagen, Angela Tiemann, Franziska Lutz, Christoph Tiemann und Urs von Wolfen in der Bürgerscheune Saerbeck. Auf dem Piano und weiteren Instrumenten begleitete sie Jakob Reinhardt.

Die Organisatoren des Arbeitskreises „Kunst-Kultur-Kirche“ freuten sich über den ausverkauften Saal. „Das Buch und der Film sind rund um Weihnachten eine schöne Tradition“, stellte Werner Heckmann bei der Begrüßung fest. „Wir singen in der Adventszeit in der Kirche das Lied ‚Tritt herein, schau das Wunder an, wie ein Kind uns verwandeln kann‘ von Detlef Jöcker“, erzählte er. Genau davon schreibt Frances Burnett in ihrem Buch.

Denn eines Tages kam Mr. Havisham, der langjährige Anwalt des englischen Grafen Dorincourt, mit einer schier unglaublichen Nachricht zu Mrs. Errol und Cedric. Im fernen England lebt der Großvater des Jungen, der 12. Earl of Dorincourt. Er ist unermesslich reich und wohnt mit einigen Dienstboten in einem prächtigen Schloss.

Da seine drei Söhne gestorben sind, hat er seinen Enkel Cedric dazu auserkoren, sein Erbe anzutreten. Widerwillig reist der Junge mit seiner Mutter in die englische Grafschaft. Dort erwartet ihn ein griesgrämiger, hartherziger Mann. Mit viel Humor schildert die Verfasserin dessen bizarre Ansichten und Verhaltensweisen, die wohl schon damals aus der Zeit gefallen wirkten.

Cedric lässt sich von dem Gegrantel jedoch nicht entmutigen. Nach und nach findet er Freunde – unter den Dienstboten. Er sieht Unrecht und bringt seinen Großvater dazu, den Armen zu helfen und mit seinem vielen Geld Gutes zu tun. Die Mauer aus Hochmut und Gram, die der Adlige um sich errichtet hatte, bröckelt.

In einer Bearbeitung von Christoph Tiemann erweckten die Schauspieler die Figuren zum Leben. Unterstützt von geschickt eingebauten Soundeffekten und malerischen Bildern auf der großen Leinwand, mit verteilten Rollen, in stilechter Kleidung und einer großartigen Choreografie schickten die stimmlich virtuosen Sprecher die Zuhörer auf eine Fantasiereise ins England des späten 19. Jahrhunderts. Die 240 Besucher in Saerbeck spendeten für den Kulturgenuss langen Beifall. „Lest Euren Kindern vor, es gibt nichts Schöneres“, legte ihnen Christoph Tiemann ans Herz.

Brigitte Striehn, WN 01.12.25