Interview mit Andreas Holtmann

Das Coronavirus hat auch das Leben in Damongo, im Norden von Ghana, verändert. Andreas Holtmann vom Eine-Welt-Kreis der St.-Georg-Gemeinde berichtet von Abstands- und Hygieneregeln in Kirchen und von Einnahmenverlusten, weil die Menschen nicht wie bisher ihre Waren auf Märkten verkaufen können. Das hat der Sprecher des Saerbecker Kreises von Mitgliedern eines Komitees der St.-Theresa-Gemeinde erfahren, mit der die Saerbecker Pfarrgemeinde seit Langem eine Partnerschaft unterhält. Unsere Redakteurin Katja Niemeyer sprach mit Andreas Holtmann über die finanziellen Auswirkungen der Pandemie, über die Folgen, die die Schließung der Schulen hat, und über eine geplante Hilfslieferung, die sich wegen Corona verzögert.

Als Sie Ende Januar mit einer Gruppe des Kreises nach Damongo reisten, grassierte das Coronavirus noch nicht. Wie ist die Lage in der Partnergemeinde St. Theresa heute?

Holtmann: Die Menschen wurden wie hier von der Pandemie erfasst. Und wie hier wurden Hygieneregeln wie Abstand halten und das Tragen von Mund-Nase-Masken aufgestellt. Wie bei uns fanden zeitweise auch keine Messen statt. Inzwischen werden Gottesdienste zwar wieder gefeiert, allerdings ohne Singen und ohne Messdiener.

… dabei spielen Lieder in afrikanischen Gottesdiensten eine große Rolle.

Holtmann: Ja, normalerweise stehen die Menschen dabei dicht gedrängt in den Bänken. Das ist natürlich jetzt nicht möglich. Dass Gottesdienste in der Form nicht stattfinden können, hat aber zudem ganz konkrete finanzielle Auswirkungen.

Welche?

Holtmann: Während einer Messe finden bis zu drei Kollekten statt. Hiermit finanziert sich die Kirchengemeinde und wird der jeweilige Priester unterstützt. Denn Kirchensteuer wird in Ghana nicht erhoben. Es ist üblich, dass viel gesungen wird und währenddessen die Spenden abgegeben werden. Für den Priester werden dabei zum Beispiel auch Lebensmittel wie Bananen und Hygieneartikel wie Toilettenpapier und Töpfe gespendet. Das fällt jetzt alles weg. Somit bringt die Coronakrise die Kirchengemeinde ganz konkret in finanzielle Schwierigkeiten.

Sind auch die Schulen wegen der Pandemie geschlossen?

Holtmann: Ein Unterricht findet bis heute nicht statt. Anders als hier, wo die Schließung der Schulen zu einem Betreuungsproblem für die Eltern führte, verschärft sich die Situation dort aber auf ganz andere Weise. Zum einen kostet der Besuch einer Schule Geld. Zum anderen schicken manche Eltern ihre Kinder aus der Not heraus zum Arbeiten. Ob all die Kinder, die vor Corona zum Unterricht gehen durften, nach der Pandemie wieder in die Schule zurückkehren, ist fraglich. Wenn das nicht gelingt, dann wäre das eine doppelte Katastrophe.

Was berichtet das Partnerschaftskomitee von St. Theresa über die gesundheitlichen Auswirkungen?

Holtmann: Einem Bericht des Krankenhauses in Damongo zufolge mussten allein im ersten Quartal dieses Jahres mehr Kinder wegen Unterernährung behandelt als im gesamten vergangenen Jahr. Die Armut steigt also noch einmal. Auch wenn die Zahl der Infizierten gar nicht mal so hoch ist – das Leben der Menschen hat sich dennoch noch einmal drastisch verschlechtert.

Sie haben Ihre Freunde in Damango darüber informiert, dass das Land NRW Corona-Soforthilfen für Entwicklungsländer bereitstellt. Was ist daraus geworden?

Holtmann: Sie haben konkrete Projektmaßnahmen beschrieben, so dass wir einen Antrag stellen konnten, der mittlerweile auch bewilligt wurde. Das Geld in Höhe von 11?000 Euro ist auf dem Konto in Damongo eingegangen und soll eingesetzt werden.

Wofür soll es ausgegeben werden?

Holtmann: Mit dem Geld soll die Ernährungssituation der Menschen und somit deren Abwehrkräfte verbessert werden. Etwa, indem lokale Gemüsesorten wie Moringa, Dawada, Sojabohnen, Baobab, Tamarinde und andere Gemüsesorten angebaut werden. Die Hoffnung ist, dass sich die Menschen so gesünder ernähren können, ihre Abwehrkräfte mithin gestärkt werden und sie insbesondere in der Pandemie besser geschützt sind.

Welche Projekte wurden darüber hinaus zuletzt in der Kirchengemeinde umgesetzt?

Holtmann: Im Frühjahr hatten wir Spenden für einen geplanten Brunnenbau gesammelt. Im Mai überwiesen wir 6500 Euro. Zwei Monate später erhielten wir die ersten Bilder, auf denen zu sehen war, wie Wasser aus dem gerade erstellen Brunnen sprudelte. Der Bau war aufwendig, weil rund 150 Meter tief gebohrt werden musste. Bevor man auf Wasser stößt, sind manchmal gleich mehrere Bohrungen nötig. Außerdem wurden große Wassertanks errichtet.

In Kürze soll ein Container mit Hilfsgütern aus Saerbeck, Nordwalde und Selm-Cappenberg nach Damongo auf den Weg gebracht werden. Was wird den Menschen geschickt?

Holtmann: Wegen Corona hatte sich der Transport mehrmals verschoben. Aber er wird noch in jedem Fall in diesem Jahr stattfinden. In dem Container befinden sich unter anderem 40 Matratzen für das Krankenhaus, die uns die Firma PSP aus Saerbeck zum Einkaufspreis zur Verfügung stellte. Außerdem ein gebrauchtes, aber noch voll funktionsfähiges Ultraschallgerät, das Dr. Stefan Feldmann gespendet hat, sowie Bettwäsche und OP-Kleidung, die ein Lengericher Krankenhaus beisteuerte. Den Transport selbst sponsort das Land NRW. Die Partnerschaft zwischen den beiden Gemeinden lebt also auch in schwierigen Zeiten weiter.

Gibt es weitere Projekte, an denen Sie bereits arbeiten?

Holtmann: Wir haben Father Clement von der St.-Theresa-Gemeinde vorgeschlagen, bedürftigen Familien Investitionen zu finanzieren, die ihre Versorgungssituation nachhaltig verbessern. Angedacht sind Tiere wie Ziegen und Hühner. Spender könnten dann Geld für ein Tier geben und so bedürftigen Familien helfen. Hier warten wir aber noch auf Antwort aus Damongo. Uns ist es wichtig, dass die Hilfe nachhaltig ist. Projekte stimmen wir natürlich zuvor mit den Mitgliedern des Partnerschaftskomitees und mit Father Clement ab.

WN 06.10.2020