Die Veranstaltung im Spiegel der Presse:

Na, da hat Alfons Sundermann aber mal mächtig untertrieben, als er am Freitag dem leider etwas spärlichen Publikum in der MKG-Mensa ein Konzert des Benares-Trios ankündigte, das „spannend, virtuos, sinnlich und schön“ zu werden verspreche. Es wurde eine elektrisierende Starkstromvorstellung dreier perfekt aufeinander eingespielter Musiker.

Deobrat Mishra an der Sitar, dessen Neffe Prashant an den Tablas und Roger Hanschel am Saxofon verbinden indische Klangwelten mit Jazz und mixen daraus ein hoch energiegeladenes Gemisch, das die Zuhörer von dem Hocker zu reißen vermochte. Mitreißende Rhythmen, ins Mark gehende lyrische Melodien und Lichtgeschwindigkeitssoli erinnerten an kontrapunktische Feuerwerke, wie sie einst John „Mahavishnu“ McLaughlin, Ravi Shankar und Charlie Mariano zu entzünden vermochten. Ganz große Kunst, die auch Nicht-Jazzfans zu verzaubern wusste.

Dabei fing der als Picknick mit Open-Air-Auftritt geplante Abend wettertechnisch nicht eben glücklich an und musste kurzerhand nach innen verlegt werden. Da packten die Zuhörer ihre mitgebrachten Speisen aus, probierten auch gerne zugereichte indische Spezialitäten und hörten aufmerksam zu, als Pastor Ramesh von seiner jüngsten Indienreise berichtete. Ein Höhepunkt war die Hochzeit seines Neffen, den Ramesh mit einer jungen Frau vermählte, die am Freitag ebenfalls im Publikum saß und erkennbar große Freude an der Musik hatte. Es sei keine Liebesheirat gewesen, sagte Pastor Ramesh, „aber glücklich werden die beiden wohl dennoch“. Und ein weiterer Ramesh-Neffe schnappte sich das Mikro, der zwölfjährige MKG-Schüler Sampath, der das deutsche Schulsystem lobte, bevor er eine weitere Runde durch die Reihen drehte, um selbst gebackene Wadas zu verteilen.

Die Sitar, das bekannteste und am weitesten verbreitete Melodieinstrument der klassischen nordindischen Musik, wurde bei uns in den späten 1960er Jahren durch den Geiger Yehudi Menuhin und den Beatles-Song „Norwegian Wood“, vor allem aber die Jazz-Fusionmusik von John McLaughlin bekannt und klingt seither nicht mehr so fremd in westlichen Ohren. Anders das Saxofon in Inden: „Das befremdende Staunen über dessen Klang“, erzählte Deobrat Mishra, „muss man sich so vorstellen, als ob man ein bayerisches Volkslied auf der Sitar spielt.“

In Staunen versetzte Roger Hanschel die Zuhörer aber nicht nur durch seinen brillanten, sinnlichen Sound, sondern auch seine spezielle Zirkulationsatmung, die man eher von Didgeridoo-Spielern kennt. Für ihre erste CD „Assi Ghat“ bekam das Trio den Preis der deutschen Schallplattenkritik, die in der Begründung unter anderem schreibt: „Roger Hanschel, seit langem durch die Kölner Saxofon Mafia sowie Crossover-Projekte eher westlicher Prägung bekannt, vertiefte seine Kenntnis nordindischer Musik in Benares, an der Akademie des vielfach preisgekrönten Sitarvirtuosen Deobrat Mishra. Deobrats Neffe Prashant Mishra, ein junger Star der Szene, kam mit Tabla-Percussion dazu. Gemeinsam fanden die drei zu einer energiegeladenen Fusion, die man so noch nicht gehört hat.“ Und wer dieses Konzert, veranstaltet vom Arbeitskreis Kunst-Kultur-Kirche und mitorganisiert von Sebastian Netta, verpasst hat, kann das Trio und ihre elektrisierende Musik am 1. September in Münster live erleben.

Und da hat Alfons Sundermann überhaupt nicht übertrieben, als er feststelle: „Saerbeck ist bunt, aber Indien ist bunter.“

Hans Lüttmann, WN 25.06.2024